Sehr geehrte
Damen und Herren, liebe Nominierte, liebe Juroren, lieber Steffen Marciniak, lieber
Verein „Lyrik lebt e.V.“
und lieber
Preisträger Patrick Schild,
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Slavica Klimkowsky bei ihrer Laudatio auf Patrick Schild |
mit Deinen
Gedichten unter dem Kennwort „Irrwege“ hast du Dich um den Hanns-Meinke-Preis 2024
beworben. Als Jurorin habe ich Deine Gedichte gelesen und dachte dabei an den
Sinn des Schreibens und Aufschreibens. Darüber habe ich mich vor längerer Zeit
beginnend, immer wieder mal mit Steffen Marciniak unterhalten.
Wenn wir Autoren
ein geordnetes, einfaches Leben führen würden, mit drei Mahlzeiten am Tag,
bezahlten Rechnungen, bürgerlichen Ritualen und Zugeständnissen an den „öffentlichen
Austausch“, wo blieben dann Antrieb und Adrenalin für jede literarische,
künstlerische Schöpfung? Nur Vorsicht und Selbsterhaltungsinstinkt würden und
noch leiten.
Eine
aufgeregte und angeregte Fantasie erreicht immer etwas oder ist auf der Suche
nach Empfindungen, nach dem Unsichtbaren, Flüchtigen, Sublimierten und oft
durch die graugräuliche Farbe des Alltäglichen nachgeahmten. Daher gibt es
Poesie, die aus dem Bemühen entsteht, um jeden Preis „etwas niederzuschreiben“. Und andererseits gibt es vulkanische Poesie, die einfach
aufkocht, aus einer ewigen Quelle entspringt und durch die Persönlichkeit des Autors kanalisiert wird. Letzteres trifft auf
Patrick Schilds Poesie zu.
In meinen
jungen Jahren dachte ich „Eine Inspiration ist immer eine Inspiration, egal
woher sie kommt“. Was am Ende
bewertet wird, sind nicht hohe Absichten und egoistische Projektionen, sondern
die Antwort auf die Frage: WAS HAST DU AUS DEN ANGEBOTEN / DEM ANGEBOTENEN in deinem bibliozentrischen Universum gemacht, im ewigen Bemühen
um Ausdruck, Stil und Persönlichkeit?
Mit dem Blick
auf die derzeitige Literaturszene stelle ich fest: Wir sind nicht mehr so entschlossen, ultimativ, wenn wir unsere Ansichten über
Menschen und Phänomene äußern, wir sind nicht voll von ketzerischem Schießpulver,
wir explodieren nicht unter dummen und falschen Vorwänden, wir werden nicht wütend über unveränderliche und vergebliche Dinge. Oft glauben
wir, dass in der Ästhetik nur unser Geschmack und in den sozialen Beziehungen
unser naiver Altruismus gültig ist.
Auch weil wir „viele
und viele geliebt“ haben, wissen wir, dass diese Chemie nicht ewig hält, dass
wir uns ohne Maß und oft ohne Gegenleistung verausgabt haben, dass aber
ziemlich viel davon in „literarisches Material“ geflossen ist, also der
Kollateralschaden etwas abgemildert ist. Wir fallen nicht auf die Mauer der
Verse, obwohl wir über das Kopfsteinpflaster der Großstadt und der Welt stürzten,
wo wir versuchen, unsere Träume in einen friedlichen Hafen und unter ein
sicheres Dach zu bringen.
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Patrick Schild Preisträgerlesung |
Dem Jury-Vorsitzenden Harald Gröhler
fällt vor allem das Gedicht "Sonett, fröstelnd"
auf, „auch gerade innerhalb der anderen Irrwege -Texte. Schon das Wortpaar
"eis und erinnern" ist bemerkenswert, und zwar sowohl dem hier
evozierten Bedeutungsfeld wie auch der Wortwahl nach. Diese ist sehr gelungen,
und sie ist nicht bloßes Vehikel der Bedeutungen. Der Titel (sonett fröstelnd) ist ironisch und spöttisch;
tut dem Gedicht als Gegenbewegung sehr gut.
Erst recht überzeugend
und auch "schön" ist eine Zeile "wie, wenn das herz in rauch
sich verwandelt". Sie ist wert, bleibend erinnert zu werden. ... Der
Dichter übertrifft sich hier sozusagen selber. Von Erinnern ist dann noch
einmal die Rede, und das kommt dem Gedicht sehr zugute; denn der Irrwege-Autor
Patrick Schild liebt an sich zerrissene Inhalte.“
Und bei „da - seins - form“ flattert das Taubenherz in meiner Brust. Ob augenzwinkernd und scharfsinnig, ob höflich, versöhnlich und diplomatisch, ich sehe wie Du, lieber Patrick Schild an eine unsichtbare Tür klopfst, welche
Qualen du erlebst, während der Text sich Dir widersetzt, nach außen glänzt, nach innen zerfällt und Dir nicht zulässt Katharsis
zu erreichen.
Und Lob,
Auszeichnungen über Auszeichnungen helfen nicht weiter, und sie übertönen nicht die Fanfaren und Trommeln im Lärm der Welt, in
der Du, lieber Patrick der Stimme (D)einer Fee, (D)eines Engels, (D)einer Muse folgen
solltest, im Bewusstsein, dass Dein nächstes Buch das beste sein wird - treuer
Abdruck von etwas, das Du in Deiner Seele behalten hast.
Ich bin froh,
dass es nun dieses Buch „Atemopale“ gibt, dem hoffentlich, sicherlich viele
weitere folgen werden. In gewisser Weise verrät mir das auch den „Sinn des
Aufschreibens“ eines begabten, hochinspirierten und ausgewählten Menschen.
Herzlichen Glückwunsch
zum diesjährigen Hanns-Meinke-Preis, lieber Patrick Schild!