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Samstag, 18. Januar 2025

Rezension auf Lyrikkritik zu Şafak Sarıçiçeks "Wasserstätten"

 

Über Schatten springen

 Gedanken zu Şafak Sarıçiçeks Gedicht Der Rotationsmitarbeiter

  
von Leonie Köhler, Lyrikkritikakademie bei Lyrikkritik
 
Link zu:  Lyrikkritik - Rezension

Im September 2023 wurde der Hans-Meinke-Preises für junge Lyrik im Berliner Lessinghaus an Şafak Sarıçiçek verliehen. Da der erste Platz mit der Publikation eines Gedichtbandes im Verlag der neun Reiche verbunden ist, konnte das Publikum bei einer Lesung Einblicke in das brandneue Werk Wasserstätten des Heidelberger Lyrikers gewinnen. Das Gedicht Der Rotationsmitarbeiter steht im Kontext einer Folge an Texten, die sich mit Arbeitsverhältnissen beschäftigen: Sie heißen beispielsweise Der Brater, Der Verkäufer, Der Leiharbeiter, Der Spüler und stellen durch ein gemeinsames Motiv den Bezug zum Titel des Bandes her: Dem Wassertier, das in immer neuen Variationen auftritt und sich als Meeresfrucht, Mollusk oder Tintenfisch in den Texten tummelt. Besonders häufig aber wird der Fisch genannt, er spielt in allen oben genannten Gedichten eine Rolle. Er wird frittiert, mit Pommes als Fish ’n Chips über die Theke gereicht, in Panade gewälzt, als Fischstäbchen verspeist und in reichlich Fett gebraten, bis die Remoulade förmlich zwischen den Buchstaben hervorquillt und die Trostlosigkeit der dargestellten Verhältnisse aus den fettigen Bratdünsten hervortritt. Das Meer, seit der Romantik eine Metapher für das, was den menschlichen Horizont übersteigt, schrumpft im Kontext von Lohnarbeit, Dienstleistung und Konsum auf die Dimension des Verwertbaren zusammen.

Überläufer wechselwarm
tänzelnder Fisch im Kittel
Kitt so sehr Kitt
kompartmentalisiert

eifrig überlaufend
zwischen Türen mollusk
mein schizophrener Umriss

Die ersten beiden Strophen von Der Rotationsmitarbeiter etablieren einen beobachtenden und gleichzeitig kritischen Blick auf einen Angestellten. Der Zusammenhang, in dem sich das Gedicht befindet – es gehört zu einem Abschnitt, der mit „Fischfresser“ betitelt ist – legt einen Kellner im Fischrestaurant nahe. Auch wenn es hier wohl auf den ersten Blick ein wenig edler zugeht als im Territorium der Fastfood-Buden, offenbart der Zoom auf die Arbeitsverhältnisse keinen großen Unterschied zum Verkäufer im gleichnamigen Gedicht (Der Verkäufer), der im Schweiße seines Angesichts für Mindestlohn frittierten Fisch und sein gewinnendes Lachen auf die Theke legt.

Der Kellner ist ein „Überläufer“ – ein Wort, das nicht nur die Bewegung des schnellen Hin- und Herlaufens verbildlicht, sondern eine opportunistische Dimension impliziert. Der Überläufer wechselt die Seite – und dass es sich hierbei nicht um eine einmalige Entscheidung handelt, sondern dass das Fähnchen nach dem Winde gedreht wird, verdeutlicht das Adjektiv wechselwarm: Ein wechselwarmes Tier passt sich an seine jeweilige Umgebung an, um zu überleben. 

Im zweiten Vers verschmilzt der Angestellte mit dem Produkt, das er anbietet. Der Kittel („Kitt so sehr Kitt“), offenbart die Arbeitskleidung als Klebstoff, der den Zusammenhalt disparater Teile der Person künstlich ermöglicht. Der vierte Vers, der aus einem Wort besteht („kompartmentalisiert“) und die Folge der Alliterationen vervollständigt, bestätigt und präzisiert diese Beobachtung. Kompartimente sind voneinander abgegrenzte Bereiche, das „Mentalisieren“ evoziert den Vorgang einer mentalen Zurichtung, die sich durch Dissoziation auszeichnet. Dass der Umriss des Kellners „schizophren“ ist, fasst die Spaltung in ein neues Bild und lässt die Bedeutung des Krankhaften mitschwingen. Damit vollzieht sich eine Umwertung: Das, was gesellschaftlich als größte Selbstverständlichkeit gilt – das Angestelltenverhältnis, die Lohnarbeit – setzt mentale Veränderungen voraus, die ans Krankhafte grenzen. 

In der dritten Strophe wird das Motiv der Spaltung um das Motiv des Verbergens ergänzt: 

hab mich als Tintenfisch gedacht
als Tintenfisch
camouflagier mich mit Umgebungsfarben

Das Verspritzten der Tinte ist eine Überlebensstrategie des Tintenfischs, die ihn vor Fressfeinden schützt. Hier klingt die Dimension der existentiellen Not als unausgesprochener Hintergrund des beschriebenen Verhaltens an. Die Camouflage deutet wieder, wie schon das Adjektiv „wechselwarm“, auf perfektionierte Anpassung an die Umgebung hin.

hab tänzelnd mich unsichtbar
am Tage der Spezialofferten
Chefetagen mich offeriert

zwischen Türen schieß ich Tinte
euch in Augen · löst mich auf

Die vierte Strophe arbeitet eine paradoxe Gleichzeitigkeit heraus: Indem der Angestellte sich tänzelnd offeriert, will er die Aufmerksamkeit der Chefetage auf sich ziehen und für sie sichtbar werden, ist dabei jedoch unsichtbar. Ein Teil des Selbst in der Rolle als Angestellter scheint einem privaten, verborgenen Teil gegenüberzustehen. Dass diese Spaltung des Selbst  nicht, wie intendiert, dem Schutz des privaten Teils der Person dient, gehört zu den interessanten Wendungen des Gedichts. Der Rückzug ins Verborgene, das Verschanzen hinter der Rolle hat Konsequenzen, wie in der nächsten Strophe deutlich wird. Der Angestellte schießt den Chefs als Tintenfisch zwar Tinte in die Augen, löst sich aber selbst in der Tinte auf.

dissoziiere alle gordischen Knoten
serviere mit goldenem Schnitt

bin springender Punkt
würde gern über Schatten springen

wenn ich denn einen hätte

Der Angestellte hat die hohen Erwartungen seines Arbeitsumfelds internalisiert: Er löst die verwickeltsten Probleme und serviert „mit goldenem Schnitt“, also mit der mathematischen Relation, der seit der Renaissance eine an Göttlichkeit grenzende Harmonie zugeschrieben wird (divina proportione). Die angedeutete Harmonie ist wohl nur oberflächlich – damit die Abläufe reibungslos sind, muss der Kellner springen, auf Zuruf hin- und herrennen, ist einem fremden Diktat unterworfen. Er wird zum „springenden Punkt“, ist gleichzeitig unabdingbar und doch entbehrlich. Steigt man hinauf ins oberste Stockwerk und nimmt die Sicht der Chefetage ein, so schrumpft der Kellner zu einem winzigen Partikel im großen Getriebe. Von sehr weit oben sieht ein Mensch in Bewegung nur wie ein Punkt aus, er ist kein Individuum mehr, auswechselbar. Stimmt der Gewinn nicht, so lässt sich vermuten, wird der Kellner auf die Straße gesetzt, da hilft ihm auch seine Hingabe an das Leistungsprinzip nicht, sein vorauseilender Eifer, der im Wunsch deutlich wird, über Schatten zu springen: Hier handelt es sich ebenfalls um eine Redewendung, die aufgebrochen und umgedeutet wird. Ihre eigentliche Bedeutung – „sich überwinden, über die eigenen Möglichkeiten hinausgehen“ – stellt den Schatten als etwas Negatives vor Augen: als eine lichtlose Seite der Person, die im Wege steht. Der Angestellte besitzt jedoch keinen Schatten mehr, auf diese Erkenntnis läuft das Gedicht zu. Im Verlust wird der Schatten zu etwas Wertvollem umgedeutet. 

Das Motiv des verlorenen Schattens erinnert an Peter Schlemihls wundersame Geschichte von Adalbert von Chamisso (1813). Der mittellose Protagonist verkauft seinen Schatten an einen mysteriösen Herrn und bekommt dafür ein Säckchen mit Goldtalern, das niemals leer wird. Peter Schlemihl hält dies für einen guten Tausch, scheint der Schatten doch entbehrlich. Schnell jedoch wird deutlich, dass das Fehlen des vermeintlich unwichtigen Schattens auf Ablehnung stößt. Der mysteriöse Herr, der sich spätestens jetzt als der Teufel offenbart, bietet Peter Schlemihl an, ihm den Schatten im Tausch gegen seine Seele zurückzugeben, doch dieser lehnt ab und lebt von nun an als Ausgestoßener. Das Märchen endet mit dem Ratschlag, Geld niemals über den Schatten zu stellen. 

Auch das Gedicht Der Rotationsmitarbeiter hinterfragt die scheinbare „Wertlosigkeit“ des Schattens und setzt Geld (qua Lohnarbeit) in ein Verhältnis zu seinem Verlust. Doch für was steht der Schatten? Dass er sich nicht ausleuchten lässt, nicht definieren, weil er im Licht von allen Seiten wieder verschwindet, liegt nahe. Vielleicht kann die finale Frage nach dem Schatten als dunkle, lichtabgewandte Seite des Gedichtes selbst begriffen werden. Umriss gewinnen würde er dann als Gegenstück der im Text beleuchteten Mechanismen und Verhaltensweisen: Der Anpassung also, der Anbiederung an die Chefetage, der mentalen Zurichtung zum Zweck der maximalen Verwertbarkeit, der Auflösung des Selbst im Zuge der eingesetzten Täuschungsmanöver, des Verschwindens in den eigenen Überlebensstrategien. Vielleicht lässt sich der Schatten als Chiffre für den undefinierbaren Teil der Person oder sogar der Welt verstehen, der sich nicht nur der Logik der Effizienz, sondern allen umfassenden Beschreibungssystemen entzieht – und gerade dadurch immer wieder die Sprache herausfordert, über ihre festgefahrenen Wendungen hinauszugehen und zur Lyrik zu werden.

Überläufer wechselwarm
tänzelnder Fisch im Kittel
Kitt so sehr Kitt
kompartmentalisiert

eifrig überlaufend
zwischen Türen mollusk
mein schizophrener Umriss

hab mich als Tintenfisch gedacht
als Tintenfisch
camouflagier mich mit Umgebungsfarben

hab tänzelnd mich unsichtbar
am Tage der Spezialofferten
Chefetagen mich offeriert

zwischen Türen schieß ich Tinte
euch in Augen · löst mich auf
dissoziiere alle gordischen Knoten
serviere mit goldenem Schnitt

bin springender Punkt
würde gern über Schatten springen

wenn ich denn einen hätte

 

Leonie Köhler

 

Sonntag, 5. Januar 2025

Şafak Sarıçiçek´s Gedicht "Tsujiura Senbei" auf TEXTOR

 
Das Gedicht "Tsujiura Senbei" von Şafak Sarıçiçek ist auf der Seite von TEXTOR veröffentlicht.

link zu textor: textor.online

 
Auf den Zustand rücken
in die Lage setzen
diese versetzen

Sich auf Karma satteln
rattelnde Assel-Omen
kicken panschen

den Wein und
methylieren in
Rührung

Entrücken den Morgen
eindrücken die Nacht
in kondensierten Punkt

Ursprung allen Übels
zu Urei rühren zu Glückskeks:
Im Reichtum ruhn für einen Dollar

 

 

Samstag, 12. Oktober 2024

Rezension zu Safak Saricicek von Rolf Birkholz, "Am Erker"


 

Wortführende Gedanken

 
Gratulation an Şafak Sarıçiçek zum heutigen Geburtstag. 
 
Die Zeitschrift "Am Erker" veröffentlichte kürzlich eine Rezension von Rolf Birkholz zu seinem Band "Wasserstätten", der nach seinem Gewinn des "Hanns-Meinke-Preises" entstand.
 
 
 
 


Freitag, 20. September 2024

20. Stuttgarter Lyriknacht mit Şafak Sarıçiçek

 

20 Jahre Stuttgarter Lyriknacht

u.a. mit Hanns-Meinke-Preisträger Şafak Sarıçiçek

 

Ein lauer Spätsommerabend am Neckar – am 06.09.2024 bot die Stadtteilbibliothek Bad Cannstatt die perfekte Atmosphäre für das 20. Jubiläum der Stuttgarter Lyriknacht. Dass die große Stadtbibliothek am Mailänder Platz aufgrund von Bauarbeiten nicht verfügbar ist, scheint ein Zeichen des Schicksals gewesen zu sein, denn direkt am Neckar konnte man den Worten von Şafak Sarıçiçek, Lütfiye Güzel, Alexandru Bulucz und Odile Kennel besonders eindrücklich lauschen und bei schöner Aussicht auf den Fluss in den Lesungsabend eintauchen. 

Zunächst wurde die 20. Stuttgarter Lyriknacht von der Stadtbibliothek eröffnet und es ging los mit Şafak Sarıçiçek, der u.a. aus seinem neuen Gedichtband Wasserstätten las. Der thematische Schwerpunkt seiner Lyrik liegt aktuell auf dem Wasser, was auch im Gespräch mit Beate Tröger mehrfach aufgegriffen wurde – besonders passend dazu, dass am Schauplatz des Abends der Neckar seine Bahnen zieht.
 
 

Safak Sarıçiçek bezeichnet sich selber als Angehöriger einer Minderheit: in seiner Heimat ist er als Kurde und Alevit ein Außenstehender. In Deutschland ist er ein türkischer Dichter, der mit Begriffen jongliert, der dem Zuhörer höchste Konzentration abverlangt, um die vielen Metaphern und Anspielungen in seinen Gedichten zu erfassen. Hatte er anfangs Kurzgeschichten geschrieben, verlegte er sich zunehmend auf die Lyrik, um diese zur Sprachverfeinerung zu nutzen. Was dabei heraus gekommen ist, können die Zuhörerinnen und Zuhörer an diesem Abend erleben, als Safak Sarıçiçek aus seinem letzten Gedichtband Wasserstätten liest. Die Wasserthematik zieht sich durch seine gesamte Lyrik, wie die Moderatorin weiß. Er greift aber auch weiter aus und liest aus früheren Werken. Die Gedichte erfordern ein hochkonzentriertes Zuhören, sie zielen auf vor allem auf das Hirn wenig auf das Herz. Da kommt die Zwischenmusik des Perkussionisten Uwe Kühner gerade richtig, um sich auf dem Wasser davon treiben zu lassen, wenn er der auf den mit Wasser gefüllten Kalebassen trommelt und Wasser in Schwingungen versetzt.

im blog Elsternest


Safak Saricicek mit Moderatorin Beate Tröger

Freitag, 2. August 2024

20. Stuttgarter Lyriknacht mit Şafak Sarıçiçek am 06.09.2024

 

20 Jahre Stuttgarter Lyriknacht

 

mit Hanns-Meinke-Preisträger Şafak Sarıçiçek

und mit Alexandru Bulucz, Lütfiye Güzel, Odile Kennel 

 06.09.24 Freitag 19.00 Uhr


 

Lesungen und Gespräche

Moderation: Beate Tröger Moritz Heger
Live-Musik: Uwe Kühner
 
Ort: Stadtteilbibliothek Bad Cannstatt, Stuttgart

 
19 Uhr beginnt unser Hanns-Meinke-Preisträger 2023, Şafak Sarıçiçek den Lesungsabend mit seinen »Wasserstätten«. Die Wasserthematik zieht sich durch Sarıçiçeks gesamte Lyrik. So baut er »Zeitgerüste aus Meergedanken« und erschafft »Wellengemälde«, gerahmt von »eigenwilligen Seerosen«.  

19.40 Uhr »Ich soll ruhiger werden« heißt der neue Gedichtband von Lütfiye Güzel – eine Einladung in eine poetische Unruhe und eine schonungslose Selbstbeobachtungspoesie in vier Zyklen. Lütfiye Güzel, präsentiert vom Literaturhaus, wurde 1972 in Duisburg-Hamborn geboren und wuchs zweisprachig (Türkisch/Deutsch) auf.

20.20 Uhr Kurze Pause und kühle Erfrischung

20.30 Uhr Mit dem deutsch-rumänischen Dichter Alexandru Bulucz ruft das Literaturhaus zum lyrischen Gebet: In seinem dritten Lyrikband »Stundenholz« verwandelt Bulucz rumänische und deutsche Fundstücke und Erinnerungen. Stundenholz, rumänisch »Toaca«, beschreibt dabei ein Stück Holz, auf das ein orthodoxer Mönch schlägt, um zum Gebet zu rufen.

21.10 Uhr Das Schriftstellerhaus holt seine ehemalige Hausstipendiatin Odile Kennel zurück nach Stuttgart. »Irgendetwas dazwischen«, das ist nicht nur ihr aktueller Band, das ist auch der Mensch und sein Körper in Kennels sinnlich-rhythmischer, vielsprachiger Lyrik. Ein lustvoller Aufruf zum ironischen Spiel mit all den Einordnungen in Identitätsschubladen.

Link zur Webseite: 20. Stuttgarter Lyriknacht
 

 

 

Samstag, 11. Mai 2024

Dienstag, 9. Januar 2024

ND- Gespräch mit Schriftsteller Şafak Sarıçiçek

 

Poesie muss sich wieder lohnen: Ein Gespräch mit dem Schriftsteller Şafak Sarıçiçek

Interview: Yelizaveta Landenberger, ND,
 
Frage:
 
Die Fischfresser-Zyklus-Gedichte in Ihrem neuen Lyrikband »Wasserstätten« gefallen mir besonders gut. Darin geht es um Massenproduktion von Fisch einerseits, Ausbeutung und Entfremdung der Arbeitenden, die mit dem Fisch hantieren, andererseits – wie Menschen in Gastronomieberufen gewissermaßen selbst zu Fisch werden. Aber wieso sind Wasser und Fische in Ihrer Lyrik so präsent?
 
Antwort S. Saricicek:
 
Die Wasserthematik zieht sich durch meine gesamte Lyrik. Fische können Verschiedenes symbolisieren: das Weibliche, das Kind, Verletzlichkeit, Unschuld, Naivität. Wasser hat dieses Verbindende und Fluide, es umgeht Hindernisse, findet seinen Weg. Gleichzeitig ist es das Verbindende im geografischen Kontext, bewegt sich zwischen Ländern, so wie ich. Und es gibt diese mystische Dimension: Wir können Wasser nicht richtig erfassen, gleichzeitig bestehen wir selbst zu einem erheblichen Teil daraus. Der Zyklus hat sich ergeben, weil ich selbst in der Gastronomie gearbeitet habe. Hier ist übrigens noch eine Brandnarbe davon an meinem Arm.

 

S. Saricicek, Foto: Yelizaveta Landenberger

 
Frage:
 
Finden Sie es frustrierend, dass das Lyriker-Dasein so schlecht bezahlt ist?
 
Antwort S. Saricicek:
 
Absolut. Wie wenig Lyrik wertgeschätzt wird. Oder allgemein: Dass schnell an der Kultur gespart wird, als ob sie Luxus wäre. Schriftsteller sind so wichtig, weil sie jenseits der Profit-Logik gesellschaftlichen Reichtum aufbewahren. Jeder Mensch hat das Potenzial, Lyrik zu rezipieren, aber man ist zu gehetzt. Deswegen beschäftigt sich hierzulande hauptsächlich eine akademisierte Bubble damit. Das muss nicht so sein: In der Türkei wird Lyrik mehr wertgeschätzt, da kann ein Bauer Gedichte von Ahmed Arif oder Nazim Hikmet vortragen, da hat Lyrik wirklich noch eine kollektive Funktion – auch vermeintlich schwierige Lyrik. Dass Lyrik in Deutschland so ein geringer Stellenwert zukommt, weist darauf hin, dass unsere Gesellschaft ins Konsumistische abrutscht. Die Lyrik, die immerhin noch breiter rezipiert wird, ist oft so trivial. Das hängt mit den Produktionsverhältnissen und der Aufmerksamkeitsökonomie unserer Gesellschaft zusammen. Und wenn Lyrik wertgeschätzt wird, dann auf technokratische Weise: Gedichtanalysen mit eindeutigen Deutungen. Damit bereitet man so vielen Generationen von Kindern Hass auf diese schöne Form – und man banalisiert sie.
 
 
Şafak Sarıçiçek (*1992 in Istanbul) ist ein in Heidelberg lebender deutschsprachiger Dichter mit Zaza-Wurzeln. Er studierte Jura in Heidelberg und Kopenhagen und absolviert aktuell sein Referendariat. Bislang veröffentlichte er sechs Lyrikbände. Zuletzt erschien im Herbst 2023 sein neuer Gedichtband »Wasserstätten«. 2023 erhielt er den Hanns-Meinke-Preis sowie ein Jahresstipendium für Literatur der Kunststiftung Baden-Württemberg.

 

Freitag, 8. Dezember 2023

"Harz Kurier"- Bericht über Safak Saricicek - Lesung

Bericht im "Harz Kurier" am 4.12.23. über die Lesung des 5. Hanns-Meinke-Preisträgers, Safak Saricicek, in Osterode Harz, am 17.11.2023. Die Lesung, organisiert vom Verein "Lyrik lebt e.V." mit dem Verlag der 9 Reiche. Der Autor las aus seinem Buch "Wasserstätten", erschienen in der Lyrik-Edition NEUN, herausgegeben von Steffen Marciniak, der zum Preis eine Einführung gab.
 

 


Samstag, 23. September 2023

Bildeindrücke der 5. Verleihung des Hanns-Meinke-Preis

 

22.09.2023: Preisverleihung des 5. Hanns-Meinke-Preises an Safak Saricicek 





Preisübergabe: von links: Claudia Dietrich (2. Vorsitzende des Vereins "Lyrik lebt e.V.", Christine Kahlau (Jurorin), Harald Gröhler (Juror und Laudator), Safak Saricicek (Preisträger 2023), Steffen Marciniak (Preisinitiator und Kurator)

 

 


 

 

 
 
 
 
 
 
 
 
 

 

 
 
Mitgestalter des Abends, von links): Michael Z. (Chansons zur Gitarre), Leonie Köhler (drittplatzierte Finalistin 2023), Gabriel Wolkenfeld (Preisträger 2021), Steffen Marciniak (Moderation)
 
 
 
 
 
 
 

 
 
 
 
 
 
 
 
 










Boris Greff liest "Peripher" von Safak Saricicek

  Der Dichter Boris Greff liest Gedichte von Hanns-Meinke-Preisträgern: link zum youtube-Kanal von Boris Greff:  Safak Saricicek: "Per...