Der Dichter Hanns Meinke

  

Hanns Meinke


Hanns Meinke 1913
Hanns Meinke (* 12. Mai 1884 in Straßburg (Uckermark); † 12. Februar 1974 in Berlin) war ein deutscher Dichter, der von verschiedenen Strömungen seiner Zeit beeinflusst war. Er nutzte das, was ihm gefiel, für seine Arbeit, ohne sich von Ideologien, Religionen, einzelnen Gruppen oder deren Führern vereinnahmen zu lassen. Zunächst von Romantik und literarischer Symbolik beeinflusst, orientierte er sich als Mitglied des Charon-Kreises an den freien Rhythmen und der mythologischen Bildsprache der Charonlyrik. Später wurde der Dichter Stefan George (1868–1933) zu einem wichtigen stilistischen Vorbild, und Meinke wandte sich strengeren Formen zu. Schließlich befasste er sich mit der islamischen Sufi-Bewegung und dem persischen Mystiker und Dichter Jalal ad-Din ar-Rumi, dessen Rubayiate er ins Deutsche übersetzte. Er übersetzte auch die Gedichte des Persers Muhammad Iqbal ins Deutsche. Als Künstler hat Meinke Holzschnitte, Linolschnitte, Grafiken, Aquarelle, Zeichnungen, Skizzen, Lithografien und Scherenschnitte geschaffen.

 
Hanns Meinke 1902

Eine sehr ausführliche Biografie zu Hanns Meinke in Wikipedia-Link: 
 

 
 
 
 
 
 
Im Februar dieses Jahres (2024) jährte sich der Todestag des deutschen Dichters Hanns Meinke zum 50. Mal – doch kein Feuilleton nahm dies als Anlass zur Würdigung und Erinnerung. Fast 90 Jahre alt wurde Meinke, doch in der Literaturgeschichte ist er kaum präsent, nahezu eine vergessene Randfigur. Ein Gastbeitrag von Daniel Aldridge:
 
Link:
Literaturcafé: Hanns Meinke – Der vergessene Dichter und seine lyrischen Erben
 

Geboren im Jahre 1884, erlebte Hanns Meinke den Aufbruch ins 20. Jahrhundert, eine Ära des Wandels in Politik, Kunst und Literatur. Der junge Meinke entschied sich früh für die Dichtkunst, wählte jedoch den Lehrerberuf, wohl wissend, dass Lyrik kaum zum Broterwerb taugte. Der tägliche Umgang mit jungen Menschen hielt ihn geistig rege, und in seiner Freizeit widmete er sich seiner poetischen Leidenschaft.

Unangepasste Randfigur

Hanns Meinke 1928
Die Jugendbewegung des Wandervogels, die Freiheit und Selbstbewusstsein in der Natur und im gemeinsamen Singen fand, begeisterte ihn. Im Lehrerseminar begegnete er Rudolf Pannwitz, der ihm den Zugang zum Charon-Kreis und zur Schulreformbewegung um Berthold Otto verschaffte. Meinke blieb jedoch eine Randfigur, nie bereit, sich ganz anzupassen. 1905 erschienen seine ersten Gedichte in der Zeitschrift »Charon«.

In seinen jungen Jahren fühlte sich Meinke den verwandten Seelen E. T. A. Hoffmann, Oscar Wilde, Arthur Rimbaud, Paul Verlaine, Edgar Allan Poe und Charles Baudelaire nahe. 1910 veröffentlichte er »Masken des Marsyas«, eine Sammlung von Sonetten, darunter eines, das Baudelaire und Poe gewidmet ist:

 

Traumwirres Kind im Land der Wirklichkeiten,
mit deinen Tieren lebtest du allein.
Dein Sehnen suchte hinter allem Sein
den Sinn, du sahst um dich die Sterne schreiten.

Sänger der Sünden und der Seltsamkeiten,
der seinen Schmerz ertränkte in formlosem Wein,
dir grinste hinter jeder Lust die Pein,
doch Wahn ließ schmeichelnd dich ins Wissen gleiten.

Ihr Tränen regnend wild wie Wolkenbrüche,
Ihr trüben Brüder, Künder schlimmer Sprüche,
seltsam verflechtend Segnungen und Flüche.

Ich grüße euch, Ihr traurigen Propheten,
Ihr trüben Brüder meiner wahnumwehten
einsamen Seele: Psalmen singt euch Psyche!

Interesse am Mythos

Der Bruch im Charon-Kreis zwischen Otto zur Linde und Rudolf Pannwitz erforderte eine Parteinahme, die Meinke verweigerte, was zu seinem Ausschluss führte. Die großen Theoriestreitigkeiten, die uns heute kleinlich erscheinen, interessierten ihn nicht. Sein Interesse galt dem Mythos – Dionysos, Proteus und besonders der Zauberer Merlin blieben Konstanten seiner Dichtung.

Durch Stefan George, ein weiteres Idol, und dessen Maximin-Kult fühlte sich Meinke in seiner homoerotischen Neigung bestätigt. Die Dichtergedichte, die er George widmete, zeugen von einer Wahlverwandtschaft im Dichter- und Seherbild:

Wir gehen getrennt einem Ziel zu und treten
Mit Sängern und Sehern – mit Heiligen – Propheten
Hinein in den Kranz, der wie Tanz der Planeten
Mit Reigen den göttlichen Thronsitz umlaubt …

Auch George widmete Meinke ein Gedicht:

Ein Weiser ist, wer beim Getöse Vieler
im Stillen Farb- und Tongestäb kann führen.
Doch weiser noch, wem – auch als bestem Spieler –
manchmal es Frevel deucht: an Harfen rühren.

Verlag »Merlin-Presse«

Der Erste Weltkrieg zwang den zurückgezogenen Dichter in die ungeliebte Rolle eines Soldaten. Meinke, kein Held, blieb der großen Politik und dem Grauen des Krieges gegenüber hilflos. In den 1920er-Jahren gründete er seinen eigenen Verlag, die »Merlin-Presse«, wo er seine Werke mit wertvollen Materialien in handschriftlicher Form anfertigte und an Freunde verschenkte.

Nur wenige seiner Werke wurden veröffentlicht, und die literarische Öffentlichkeit schenkte ihnen wenig Beachtung. Meinke war kein Erneuerer, keine provokante Stimme. Die großen Auseinandersetzungen der Zeit gingen an ihm vorbei. Sozialistische und rassistische Ideologien blieben ihm fremd. Er fand Zuflucht in der Sufi-Mystik, suchte die Einheit von Gott und Natur und schuf mit den Rubayaten des Rumi in deutscher Umdichtung eine seiner bedeutendsten literarischen Leistungen.

Der Nationalsozialismus überforderte den unpolitischen Meinke. Er verweigerte den Beitritt zur Reichsschrifttumskammer und wurde mit einem Publikationsverbot belegt. Er besann sich auf den Katholizismus, mied jedoch Dogmatismus und Amtskirche.

Nach dem Krieg hoffte Meinke auf eine neue Öffentlichkeit, doch die Zeit war über ihn hinweggegangen. Er verstummte endgültig nach dem Tod seiner Frau 1951. Drei Monate vor seinem 90. Geburtstag verstarb er und wurde auf dem Matthias-Friedhof begraben. Wenige seiner Schriften wurden veröffentlicht, und sein Briefwechsel mit Persönlichkeiten wie Hermann Hesse oder Stefan Zweig blieb unveröffentlicht. 2014 erschien zumindest eine Studie über seine Kindheit und Jugend in der Mark Brandenburg mit dem Titel »Hanns Meinke in Lichtenow«.

Ein Literaturpreis im Andenken an Meinke

Heute gibt es in Deutschland über 500 Literaturpreise, darunter seit sechs Jahren den »Hanns-Meinke-Preis« für Lyrik, der sich an den lyrischen Nachwuchs richtet. Initiator und Kurator ist der Dichter und Verleger Steffen Marciniak. Der Hanns-Meinke-Preis wird jährlich vom »Verlag der 9 Reiche« und dem Verein »Lyrik lebt e. V.« verliehen. Zu den bisherigen Preisträgern zählen Max Drushinin, Anselm Retzlaff, Gabriel Wolkenfeld, Patrick Hattenberg und Şafak Sarıçiçek. In diesem Jahr wurde der Preis an den 29-jährigen Dichter Patrick Schild aus Simmerath bei Aachen verliehen, der auch bereits den Förderpreis der Gruppe 48 und den Klopstock-Preis für junge Lyrik gewonnen hat.
 
Neue Stimmen schwingen sich auf in die Riege der Dichter unserer Zeit – mögen sie nicht überhört werden.

Daniel Aldridge

 
Hinweis: Die Verwendung des Gedichts »Traumwirres Kind« von Hanns Meinke sowie der Fotografie »Neuzelle, 1902« erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Caroline Meinke.

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